Ein Kleinod als Symbol für schützenswerte Naturräume

 

Mit Erwartung und gespannter Freude sieht der Gartenfreund dem keimenden und sprießendem Frühling entgegen.

Er freut sich am Reichtum der Blüten, der wachsenden Frucht, an der Vielfalt und Schönheit seines Gartens im Wechsel des Jahres und sucht mit wachem Auge, in die Ordnung der Natur einzudringen. Sinnliches Erleben und die fragende Erkenntnissuche sind aufeinander bezogen.

Die Fläche aller Gärten in Deutschland ist doppelt so groß wie die Naturschutzgebiete. Biologischer Gartenbau ist eine gewaltige Chance, aus den Gärten ein immer dichteres Netz ökologischer Nischen zu knüpfen –Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Bei nur betrachtendem Verweilen und Genießen könnte es uns geschehen wie dem Hans-Guck-in-die-Luft im Struwwelpeter.

Ehe wir es merken, entgleiten Reichtum und Vielfalt, Pracht und Schönheit. Die Natur verarmt – täglich mehr und wachsend schneller.

Unser Garten hat nämlich kein isoliertes Eigenleben, sondern ist in vielfacher Weise im gesamten Naturhaushalt, dem ökologischen Gefüge, das uns umgibt, vernetzt.

Zwei Beispiele sollen dies zeigen:

Als Pflanze des Jahres 1992 wurde der Rundblättrige Sonnentau und als Vogel des Jahres das Rotkehlchen gewählt.

Der Sonnentau gehört zu den seltenen insektenfressenden Pflanzen und steht auf nassen, nährstoffarmen, sauren Böden, vor allem in Hochmooren. Diese beherrschen zusammen mit den Niederungsmooren in früheren Jahrhunderten das Landschaftsbild der norddeutschen Tiefebene. Nur wenigen Menschen ist es heute noch vergönnt, den unbeschreiblichen Reiz jener Flächen zu erleben, dem Kollern der Birkhähne, dem Klagen der Brachvögel und dem Flöten der Goldregenpfeifer zu lauschen.

Diese Zeiten sind vorüber. Von kleinen Resten abgesehen, wurden vor allem in den letzten 40 Jahren die Hochmoorflächen trockengelegt und abgetorft.

Fragen wir nach den Gründen für die Vernichtung der Hochmoore und damit der Lebensräume des Sonnentaus, so müssen wir als eine Ursachen die unbedachte und meist unnötige Verwendung des Torfes nennen.

Der Vogel des Jahres, das Rotkehlchen, gehört überall dort, wo dichtes Buschwerk, Gesträuch oder Unterholz zu finden sind, zu den vertrauten heimischen Singvögeln.

Diesen hübschen Vogel können wir auch für unseren Garten gewinnen, wenn wir ihm mit Gebüschzonen einen Lebensraum schaffen. Voraussetzung allerdings zum Schutz des Rotkehlchens und anderer Insektenfresser sollte der absolute Verzicht auf den Einsatz chemischer Mittel zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung sein.

Über den Gartenzaun hinweg, auch zur Freude der Nachbarn, kann sich so das faszinierende Leben unserer gefiederten Gäste entwickeln.

Der Sonnentau und das Rotkehlchen stehen beispielhaft für Teile der Natur, die es zu schützen gilt.

Wir alle, liebe Gartenfreunde, jeder für sich, tragen dazu bei, dass auch morgen noch jene Freude am ästhetisch – sinnlichen Erleben bewahrt bleibt, die uns unser Garten und die Natur ringsum bescheren.


Verfasser: Dr. Johann B. Walz DK/BG 5/92

1.Vorsitzender Bauer Roland